Kennzeichen am S-Pedelec © www.pd-f.de / Kay Tkatzik

Warum eine Kennzeichenpflicht für Räder nicht sinnvoll ist

Immer wieder kommen Debatten um Kennzeichen für Fahrräder auf. Es gibt jedoch viele gute Gründe gegen die Einführung einer Kennzeichenpflicht für Radfahrende. Welche Gründe sind das? Und welche Lösungsansätze sind aus unserer Sicht besser?

Die Debatte um eine Kennzeichenpflicht an Fahrrädern ist nicht neu, und eine solche Pflicht wird gerne als vermeintlich schnelle Maßnahme für mehr Verkehrssicherheit genannt. Grund dafür sind Verkehrsdelikte von Radfahrenden, die im Anschluss unerkannt das Weite suchen und für ihr Vergehen nicht belangt werden können. Der Gedanke: Die Verkehrssünder:innen können leichter nachverfolgt und überführt werden – und fühlen sich im Umkehrschluss den gültigen Verkehrsregeln stärker verpflichtet. Doch in der Realität hat sich eine Kennzeichenpflicht an Fahrrädern bislang weltweit nicht durchsetzen können. Warum nicht?

Es gibt viele Gründe, die gegen die Einführung eines Kennzeichens für Fahrräder sprechen.

Höhere Einstiegshürde, geringere Nutzung der Räder
Bei einer Kennzeichnungspflicht würden viele Menschen, vor allem Gelegenheits- und Freizeitfahrer:innen,  zweimal überlegen, ob sie ein Fahrrad nutzen wollen, weil die Einstiegshürde höher wäre. Das wiederum ist ein Rückschritt bei der Verkehrswende, weil weniger Menschen Rad fahren würden.

Bürokratiemonster
Es gibt rund 83 Millionen Fahrräder in Deutschland und damit deutlich mehr als Autos (49 Millionen). Der administrative Aufwand einer Fahrradzulassung wäre enorm, man müsste neben jedes Straßenverkehrsamt gleich ein zweites bauen. Von den Gebühren würde durch den hohen Verwaltungsaufwand so gut wie nichts übrig bleiben – und es würde das Fahrradfahren als Basismobilität unnötig verkomplizieren. Von so einem Bürokratiemonster halten wir nichts.

Radl-Wiederverkauf erschwert
Bei Besitzer:innenwechsel der Räder, z. B. über Verkäufe auf Flohmärkten oder im Internet, steht zudem auf einmal ein bürokratischer Vorgang des Ummeldens an – und das bei Rädern, die bei Gebrauchtkäufen teilweise einen Wert von unter 100 Euro haben. Das stünde in keiner Relation zum bürokratischen Aufwand.
 

Aus einer Kennzeichenpflicht ergäben sich zudem eine Reihe von Fragen, die zusätzlich geregelt werden müssten.

Befestigung und Größe des Kennzeichens
Wo und in welcher Größe kann ich ein Kennzeichen am Rad überhaupt befestigen? Dieser Punkt kann auch aufgrund der Fülle an unterschiedlichen Rädern nicht einheitlich geklärt werden. Hinzu kommt, dass, anders als Autos, Fahrräder einen breiten Anwendungsbereich haben. Die spezielle Fahrradzulassung müsste also auch vorab klären, ob beispielsweise Mountainbikes und Rennräder als Sportgeräte unter dieselbe Regelung fallen, die auch für Lastenfahrräder gilt. Mit einem Kennzeichen in Vignetten-Größe ist die Ablesbarkeit im Vorbeifahren zudem praktisch unmöglich. Das zeigen hierzulande eindrucksvoll die E‑Scooter.

Nutzung als Sport- und Freizeitfahrzeuge
Mountainbikes etwa werden in der Regel abseits des Asphalts gefahren, wo Fahrzeuge mit Kennzeichen, Stand heute, auf vielen Wegen verboten sind und es somit einer Neuregelung bei der Waldnutzung bedürfen würde.

Beleuchtung von Kennzeichen
Eine weitere Frage ist, ob die Kennzeichen eine Beleuchtung wie bei S‑Pedelecs brauchen. Gerade in den Wintermonaten ein wichtiger Punkt, wenn Strecken bei Dunkelheit zurückgelegt werden.

Wer haftet?
Bei den meisten Verkehrsvergehen in Deutschland ist zudem die Fahrer:in und nicht die Fahrzeughalter:in in der rechtlichen Verantwortung. Man müsste also bei einem Verstoß nicht nur das Kennzeichen notieren, sondern am besten gleich ein Foto machen, um zu dokumentieren, wer das Rad zum Unfallzeitpunkt gefahren hat. Um die Verkehrssünder:innen also zielgenau zu identifizieren, müsste dann zusätzlich auch eine Art Fahrerlaubnis für Radfahrende eingeführt werden. 13 Millionen Menschen, die in Deutschland keinen Kfz-Führerschein besitzen, wären davon betroffen.

Was ist mit Kindern?
Wie kann man sicherstellen, dass Kinder weiterhin Rad fahren dürfen, obwohl sie keine Versicherung oder eine Fahrerlaubnis abschließen können? Brauchen sie dann ein Kennzeichen – oder wird die jüngere Zielgruppe vom Radfahren gezielt ausgeschlossen? Das sind Fragen, die in diesem Zusammenhang gestellt werden müssen.

Fazit: Kennzeichen sind keine Lösung
Obwohl es auf den ersten Blick überlegenswert erscheinen mag, sprechen viele gute Gründe gegen die Einführung einer Kennzeichenpflicht für Radfahrende. Allein der bürokratische Aufwand wäre bereits zum Start ein immenser Kostenfaktor. Außerdem würden mehr Kennzeichen, Regularien und Ahndung keinesfalls zu einem friedlicheren, rücksichts- und verantwortungsvolleren Umgang miteinander auf den Straßen führen. Das zeigt schon der Kfz-Verkehr.

Lösungsansätze für ein friedlicheres Miteinander

Aufklärung, Bildung, Verständnis und vor allem eine zukunftsorientierte Infrastruktur führen aus Sicht des ADFC zu mehr Rücksicht untereinander. Das zeigt sich dort, wo eine gute Radinfrastruktur bereits ausgebaut ist, etwa in den Niederlanden und Dänemark.

Viele Konflikte wären ausgeräumt bzw. entstünden gar nicht erst, wenn...

  • der Radverkehr mehr Platz bekommt,
  • Radwegenetze lückenlos und gut ausgebaut sind,
  • Fuß- und Radverkehr getrennt werden,
  • Radwegführung und -beschilderungen deutlich sind,
  • es vernünftige, faire Ampelschaltungen für Radfahrende gibt,
  • die Leistung und Leichtigkeit des Kfz-Verkehrsflusses nicht mehr oberste Priorität hat, sondern Radfahrende im Straßenverkehr gleichberechtigt sind.

Dafür engagieren wir uns!

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https://muenchen.adfc.de/artikel/warum-eine-kennzeichenpflicht-fuer-raeder-nicht-sinnvoll-ist

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