
ADFC-Fahrradklima-Test 2024: Münchens Radfahrer – bedrängt, behindert, gefährdet
Nur „Ausreichend“, eine bessere Note konnten Münchner Radfahrende ihrer Stadt auch im ADFC-Fahrradklima-Test 2024 nicht geben. Damit bleibt die Landeshauptstadt im Fach Radverkehr im bundesweiten Ranking auf Platz 5.
Das zeigen die am Dienstag, 17.6.2025, vorgestellten Ergebnisse der Umfrage des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC).
Im Herbst 2024 waren alle Radfahrenden beim 11. Fahrradklima-Test des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) aufgerufen, die Fahrradfreundlichkeit ihrer Stadt oder Gemeinde zu bewerten. Ergänzend zu den 27 Standardfragen zur Bewertung der Radverkehrsbedingungen wurden fünf Zusatzfragen zum „Miteinander im Verkehr“ gestellt.
Keine Verbesserung für München
Bundesweit haben rund 213.000 Menschen am Fahrradklima-Test teilgenommen. In München gaben 4552 Radler:innen ihr Votum ab – 637 mehr als bei der letzten Umfrage 2022. Die Landeshauptstadt bleibt mit der konstant schlechten Gesamtnote von 3,9 auf Platz 5 des bundesweiten Rankings der 15 bewerteten deutschen Großstädte mit über 500.000 Einwohnern.
Radentscheid-Umsetzung in zermürbender Langsamkeit
Die Gründe für Münchens erneut enttäuschendes Abschneiden sind aus Sicht des ADFC München offenkundig: Die Radfahrer:innen der bayerischen Landeshauptstadt zeigen sich zunehmend frustriert und desillusioniert. Obwohl der Radentscheid bis zum Jahr 2025 weitgehend umgesetzt sein sollte, dümpelt der Ausbau der Radinfrastruktur in München weiter vor sich hin. Trotz einer Vielzahl geplanter und vom Stadtrat bereits verabschiedeter Umbaumaßnahmen suchen Radfahrende meist vergeblich nach erkennbaren Verbesserungen im Straßenbild – bestenfalls stoßen sie auf vereinzelte, wenige hundert Meter umfassende Flickwerk-Lösungen. Viele Radfahrende fühlen sich daher im Verkehr unsicher.
Andreas Schön, 1. Vorsitzender des ADFC München, sagt: „Münchens Radfahrende fühlen sich bedrängt, behindert und gefährdet. Im Fahrradklima-Test bemängeln sie genau das, was sie Tag für Tag auf Münchens Straßen als gefährlich erleben: fehlende, zu schmale und oft schlechte Radwege. Viel zu knappe Abstände, wenn Autofahrende sie überholen. Hinzu kommen unzählige Falschparker, die vollkommen selbstverständlich und aus Bequemlichkeit Menschen gefährden, deren Verhalten die Stadt aber kaum sanktioniert. Das lässt Radfahrende frustriert, fassungslos und wütend zurück. Zugleich nimmt die Aggressivität aller Verkehrsteilnehmenden zu. Mehr Radverkehr auf weiterhin viel zu knappem Platz führt zu Konflikten auch unter Radfahrenden. Letztlich werden die Bedürfnisse der Radfahrenden nicht ernst genommen. Beim Ausbau der Radinfrastruktur mangelt es vor allem am politischen Willen. Das erneut schlechte Abschneiden beim Fahrradklima-Test ist die Quittung für diese Haltung.“
Ergebnisse der Landeshauptstadt München
Ungelöstes Dauerproblem: zu schmale und zugeparkte Radwege
72 Prozent der Befragten fühlen sich nicht sicher beim Radfahren in München. 88 Prozent der Teilnehmer:innen bemängeln erneut die Breite der Radwege (Note 5,0), 85 Prozent beklagen die fehlende Kontrolle von Falschparkenden auf Radwegen (Note 5,0). Diese Punkte wurden schon im letzten ADFC-Fahrradklima-Test 2022 massiv kritisiert. Auch die schlecht abgestimmten Ampelschaltungen (Note 4,8) und die häufigen Konflikte mit Autofahrenden (Note 4,7) sorgen bei mehr als 80 Prozent der Münchner:innen erneut für heftigen Verdruss.
Das als unangenehm empfundene Fahren mitten im Kfz-Verkehr (Note 4,6) monieren 81 Prozent. Das Fahren auf Radwegen und Radfahrstreifen (Note 4,3) bewerten 76 Prozent negativ. Und die schwierige Führung des Radverkehrs im Baustellenbereich (Note 4,4) stellt für 75 Prozent ein Problem dar. Darüber hinaus fehlt es nach Ansicht von 75 Prozent der Radfahrenden immer noch an einem attraktiven Angebot zur Fahrradmitnahme im ÖPNV (Note 4,7).
Winterdienst fällt durch
Bei allen Einzelwerten sind die Noten im Vergleich zum Fahrradklima-Test 2022 nahezu identisch geblieben – mit einer Ausnahme: Der Winterdienst auf Radwegen wurde deutlich schlechter bewertet (Note 4,2 / 2022: Note 3,8). Letzteres ist sicherlich maßgeblich auf die teilweise über längere Zeit extrem schwierigen Verhältnisse für Radfahrende im Winter 2023/2024 zurückzuführen („Schneechaos" im Dezember 2023). Gleichzeitig hat der Pilotversuch mit „auftauenden Mitteln“ auf einigen wenigen Fahrradstraßen gezeigt, was grundsätzlich möglich wäre. Schlussendlich hat der Stadtrat dann im Juli 2024 eine Ausweitung des Winterdienstes (extra Personal, Fahrzeuge) für den Radverkehr u.a. aus finanziellen Gründen abgelehnt.
Wenige Pluspunkte
Immerhin 78 Prozent freuen sich über die für Radfahrende in Gegenrichtung geöffneten Einbahnstraßen (Note 2,5). Und von 68 Prozent positiv bewertet wird das Angebot an Leihrädern (Note 2,4). 69 Prozent nehmen positiv wahr, dass Jung und Alt in München radeln (Note 2,8). 66 Prozent sind zufrieden mit der Erreichbarkeit des Stadtzentrums (Note 3,0), und 64 Prozent sind zudem überzeugt, auf dem Rad zügig voranzukommen (Note 3,1).
Miteinander im Verkehr
Bei den Zusatzfragen zum „Miteinander im Verkehr“ kommt München mit der Note 4,3 auf Platz 10 in der Gesamt-Bewertung.
Als Hauptproblem für Radfahrende in München erweist sich der mangelnde Sicherheitsabstand beim Überholen durch Kraftfahrzeuge: 84 Prozent der Umfrageteilnehmer:innen ärgern sich über zu knappe Überholmanöver von Autofahrer:innen. 82 Prozent empfinden andere Verkehrsteilnehmer:innen als unfreundlich und rücksichtslos. Bei 50 Prozent sorgen auch Konflikte mit anderen Radfahrenden für Verdruss. Dass die Stadt München zu wenig für rücksichtsvolles Verkehrsverhalten wirbt, monieren 69 Prozent der Umfrageteilnehmer. Und mangelnde Maßnahmen für die Umsetzung der Vision Zero beklagen 63 Prozent.
Zahlen und Fakten zum ADFC-Fahrradklima-Test
Der ADFC-Fahrradklima-Test ist weltweit eine der größten Umfragen zur Zufriedenheit der Bevölkerung mit dem Radverkehr. Er wird vom Fahrradclub alle zwei Jahre mit Unterstützung des Bundesverkehrsministeriums durchgeführt und fand 2024 zum elften Mal statt. Rund 213.000 Personen haben im Herbst letzten Jahres abgestimmt, nur 21 Prozent sind Mitglied im ADFC. 1.047 Orte kamen mit der notwendigen Mindeststimmenzahl in die Bewertung – damit sind 65 Prozent der Bevölkerung repräsentiert. Die Bewertungskategorien sind Sicherheit und Komfort beim Radfahren, Infrastruktur, Förderung des Radverkehrs, Verkehrsklima und die subjektive Zufriedenheit beim Radfahren. Der Test umfasst 27 Fragen mit gegensätzlichen Aussagen, die auf einer sechsstufigen Skala („Bewertungsnote“) bewertet werden. Die Städte werden in sechs Größenklassen eingeteilt, um faire Vergleiche zu ermöglichen. Zusätzlich gibt es in diesem Jahr einen Sonderpreis in der Kategorie „Miteinander im Verkehr“. Die Ergebnisse sind statistisch nicht repräsentativ, haben aber durch die breite Bürgerbeteiligung hohe Aussagekraft und können Kommunen helfen, das Angebot für Radfahrende gezielt zu verbessern.